Es waren einmal Franz und Bobotov, die eine Wanderung durch das Gebirge Montenegros unternahmen. Plötzlich entdeckte Franz den höchsten aller Berge und rief aus: „Bobotov, kuk!“ und so kam der höchste aller Berge zu seinem Namen, Bobotov Kuk.
Doch würden CäcLaw und FriPi es auch schaffen Montenegros höchsten Berg zu bezwingen?
Wichtigste Voraussetzungen: Gesundheit und gutes Wetter. Denn der Weg zum Gipfel ist mit Schwierigkeitsgrad T4-T5 durchaus anspruchsvoll und erfordert gute Sicht und volle Konzentration.
Gesundheitlich fühlen wir uns zumindest einigermaßen beieinander um den Weg vielleicht nicht in Rekordzeit, aber immerhin unbeschadet zu schaffen.
Noch vielversprechender offenbart sich jedoch der Blick in Richtung Himmel. Als um kurz vor 6 der Wecker klingelt und wir das erste mal den Kopf aus dem Zelt stecken, offenbart sich uns tatsächlich zum ersten Mal ein bisher ungesehener Anblick: am anderen Ende des Tals sieht man hinter den Bergen die Sonne aufgehen.

Auch der restliche Himmel scheint völlig klar zu sein und auch in den (bisher sichtbaren) Gipfeln der Berge hängt kein Nebel und keine Wolken.
Nachdem wir uns gezwungenermaßen etwas Müsli zum Frühstück einverleibt haben starten wir also unsere Mission Gipfelwanderung.
Die Angaben zur Länge des Weges zum Gipfel schwanken hier übrigens massiv. Wir haben aus unterschiedlichsten Quellen zwischen 6 Stunden insgesamt bis 10 Stunden One-Way alles gehört. Wir haben uns jedenfalls eine Route auf Komoot zurecht gelegt, die anscheinend um die 8 Kilometer pro Weg lang ist, was uns recht kurz erscheint, doch wir lassen uns einfach mal überraschen. Direkt zu Beginn finden wir sogar eine kleine Abkürzung. Zunächst geht es über den uns bekannten Waldweg über Stock und Stein moderat bergauf.


Schnell wird uns klar, dass wir konditionell aufgrund der Erkältung tatsächlich schlechter in Form sind als erhofft und wir nur darauf hoffen können, dass die 8 Kilometer tatsächlich nicht viel mehr werden.
Für die ersten 2,7 Kilometer brauchen wir gefühlt eine Ewigkeit, obwohl es wirklich nicht extrem steil bergauf geht und der Weg auch technisch bis auf das überqueren von ein paar umgeknickten Baumstämmen nicht besonders anspruchsvoll ist.
Warum die 2,7 Kilometer so hängen geblieben sind? Hier gabelt sich der Weg. Laut Komoot müssen wir rechts abbiegen. Das Schild dort weist den Weg zum Berg Ledena Pecina, was auch mit der Route auf unserem Handy übereinstimmt. In einem Bericht haben wir zuvor gelesen, dass vom Übergang über einen der Nachbargipfel des Bobotov derzeit stark abgeraten wird. Wie dieser genau hieß haben wir uns nicht gemerkt, da für uns ein Nachbargipfel sowieso nicht infrage kommen sollte. Ausschließen, dass es sich dabei um Ledena Pecina handelte, können wir jedoch nicht. Richtung Bobotov Kuk zeigt das Schild jedenfalls nicht, vielleicht aus genau diesem Grund. Nach links hingegen ist er ausgewiesen, allerdings sind es laut Schild über diesen Weg noch 9 Kilometer ab hier.
Lange ringen wir mit uns, denn die Kraft, den langen Weg zu gehen, scheinen wir heute eher nicht zu haben. Trotzdem entscheiden wir uns letztendlich für diesen Weg. Das Risiko einzugehen, auf der anderen Seite irgendwann nicht weiter zu kommen, weil der Weg gesperrt ist oder noch schlimmer, unwissentlich einen Weg zu gehen, der derzeit als zu gefährlich gilt und uns damit in ernsthafte Gefahr zu begeben wollen wir unbedingt vermeiden. Also schlagen wir den langen Weg ein. Irgendwie mit einer Mischung aus Hoffnung, dass die 9 Kilometer nicht stimmen und der Einstellung, dass es auch ok ist, wenn wir es doch nicht auf den Gipfel schaffen.
Einen Kilometer später blicken wir zum ersten Mal in das riesige Tal, dass sich auf der anderen Seite der Berge direkt an unserem Camp in Richtung Bobotov erstreckt. Ganz in der Ferne meinen wir den Gipfel erkennen zu können.

Wir treffen ein Pärchen aus Österreich. Die beiden haben sich schlauerweise bei Komoot für diese Route entschieden und sind der Meinung, dass die 9 Kilometer auf keinen Fall stimmen können. Ihr Wort in Gottes Ohr. Die beiden gehen weiter und wir versuchen die beiden in Sichtweite zu halten, denn sie scheinen den richtigen und kürzesten Weg zu kennen. Da die beiden aber ein Tempo einschlagen, dass wir unter normalen Umständen auch in etwa hätten, müssen wir uns recht schnell eingestehen, dass das heute einfach nicht drin ist. Zu schnell ist die Luft weg, zu oft müssen wir Pause machen. Halskratzen, Druck auf den Ohren, laufende und zugeschwollene Nasen lassen einfach nicht mehr zu. Wir sind froh, überhaupt einigermaßen voran zu kommen. Der Weg schlängelt sich entlang der Berge durchs Tal.


An einigen Stellen ist der Pfad recht ausgesetzt, links geht es einige dutzend bis hundert Meter weit runter. Wir versuchen so gut es geht die Konzentration aufrecht zu erhalten, was uns auch gut gelingt, aber wahnsinnig anstrengend für Geist und Körper ist. Irgendwann lassen wir die Baumgrenze hinter uns und die Landschaft wird karger und schroffer. Nur noch einige wenige Tannensträucher zieren die Umgebung, ansonsten gibt es hier nichts als Fels und Geröll. Der Anblick und das Panorama sind jetzt bereits phänomenal. Immer weiter geht es nun nach oben.

Irgendwann wird es so felsig, dass wir uns entschließen, unsere Wanderstöcke stehen zu lassen. Zu oft müssen wir nun die Hände mit benutzen, sodass uns die Stöcke eher behindern, als dass sie einen Nutzen haben. Wir verstecken sie ein kleines Stück neben dem Weg in einem Fels. Zur Sicherheit machen wir noch ein Foto aus der Perspektive, nicht dass wir die Stelle nachher nicht wieder finden.

Wir haben ab und zu Schwierigkeiten den korrekten Weg zu erkennen, denn die Zeichen sind auf den Felsen nicht immer gleich zu erkennen und selbst zu identifizieren, wo es lang geht, ist hier völlig unmöglich. Wir laufen mittlerweile auf eine Felswand zu. Rechts von ihr befindet sich der Gipfel, den wir vorhin schon aus der Ferne gesehen haben und von dem wir ausgehen, dass es sich um den Bobotov handelt.

Je näher wir der Wand kommen, umso besser erkennen wir, dass es viel mehr um eine supersteile Wand aus losem Geröll handelt. Wir vermuten, dass sich der Weg links um den Berg herum winden wird, denn „die Wand ist vieeel zu gefährlich“. Als wir plötzlich von oben Menschen sehen, die die Wand hinunter gehen, ahnen wir schon nichts gutes. Als wir direkt vor ihr stehen und die Wanderzeichen sehen wird uns klar: es gibt keinen Weg links am Berg. Diese steile Wand ist der Weg. Uns wird etwas mulmig zu Mute und wir überlegen kurz, ob wir uns das zutrauen. Wir entscheiden, erstmal weiterzumachen. Umdrehen können wir immer noch. Ehe wir uns versehen sind wir mitten auf dem Geröll. Nebeneinander klettern ist hier keine gute Idee, denn immer wieder tritt man lose Steine nach unten, die den Partner am Kopf treffen könnten. Dass hier Helme eine gute Idee gewesen wären, war vorher nirgendwo zu lesen.
Wir kämpfen uns nach oben und als wir ankommen, erreichen wir eine Art Pass, den wir schon von unten gesehen haben. „Wenn wir es dahin schaffen, ist das schon ein voller Erfolg“, haben wir unten gesagt. Der Gipfel erschien uns dort völlig unerreichbar. Zu steil, zu gefährlich. Den Erfolg des Passes erkennen wir oben auch an und erfreuen uns zudem über den brillanten Ausblick, der sich uns nun in beide Richtungen bietet.

Allerdings packt uns auch der Ehrgeiz. Wir haben es in dieser Verfassung, über diesen Weg bis hierhin geschafft. Nun wollen wir gucken, ob nicht noch mehr geht. Auf dem Weg zum Gipfel gibt es zwei Schilder. Eines weist den Gipfel aus, eines einen anderen Punkt auf ca. einem Viertel der Strecke. Wir sehen, wie einige der Wanderer, die von der anderen Seite des Passes über die deutlich einfachere Strecke, von der wir letztes Mal schon erzählt haben, den Weg in Richtung Gipfel einschlagen.

Wir denken, wenn die das schaffen, schaffen wir das sowieso. Zumindest bis zu dem Zwischenpunkt. Wenn es dort nicht weiter geht, ist es auch ok. Tatsächlich ist es bis dahin kein Problem und wir sehen, dass die meisten auch weiter gehen. So also auch wir. Der Weg ist zwar an Teilen eng und ausgesetzt, sodass man über ein funktionierendes Gleichgewichtsorgan verfügen und einigermaßen schwindelfrei sein sollte, sonst aber nicht sonderlich anspruchsvoll.
Am letzten Teil geht es dann nochmal steil direkt an der Felswand hoch. Die Strecke ist mit Seilen gesichert, mit deren Hilfe man auch hier sicher hoch kommt.

Alles in allem ist der letzte Abschnitt mit Sicherheit deutlich einfach und ungefährlicher als der Abschnitt vor dem letzten Pass. Das äußert sich auch oben, denn es ist deutlich voller als gedacht und als die Anzahl an Leuten, die uns vor den letzten Metern begegnet sind (3), hätte vermuten lassen.
Aber egal, wir haben es geschafft und wir können mit Stolz sagen, dass wir es nicht auf die leichte Tour geschafft haben. Wir sind auf dem höchsten Berg Montenegros angekommen.

Wir versuchen uns eine halbwegs ruhige Ecke zu suchen, doch das ist hier kaum möglich. Trotzdem ist der 360 Grad Blick in die unglaubliche Weite einfach unbeschreiblich.




Trotzdem halten wir es hier nicht ewig aus. Rücksichtslos setzen sich Leute direkt vor uns in unser Blickfeld, Einheimische schreien sich in gewohnter Lautstärke gegenseitig an als würden sie gerade den schlimmsten Rosenkrieg ever führen. Die Stimmung hier ist einfach nicht das, was wir normalerweise am Wandern und dem Erklimmen von Bergen lieben. Daher machen wir uns recht schnell wieder auf den Weg nach unten, auch wenn es eigentlich schade um den Ausblick ist.
Bergab erscheint uns der letzte Abschnitt noch leichter als bergauf. Ganz anders gestaltet sich das an der Geröllwand, die es nun wieder bergab gehen muss. Auf einer etwas anderen Route klettern wir diesmal hinunter, besser ist diese jedoch nicht und die eine oder andere rutschige Situation lässt sich kaum vermeiden. Mental ist das eine unfassbare Belastung. Besonders für Cäcis ist es schwierig, da ihre Kopfschmerzen stärker werden und ihre Schuhe definitiv nicht für dieses Gelände ausgelegt sind. Hier zahlt sich für mich tatsächlich der Verzicht auf Komfort in den flachen Wanderschuhen aus, denn meine deutlich mehr auf Klettern ausgelegten Schuhen verzeihen hier deutlich mehr.
Trotzdem schaffen wir auch diesen Teilabschnitt und erreichen wieder das Feld aus Felsen, in dem wir vorhin unsere Wanderstöcke haben stehen lassen.
Leider offenbart sich nun ein neues Problem: die Anstrengungen zuvor haben uns unsere gesamten Wasservorräte gekostet. Schon zu Beginn des Abstiegs hatten wir kaum noch etwas und nun sind unsere Flaschen endgültig leer.
Wir hatten schlicht und einfach nicht eingeplant, dass wir aufgrund unserer Krankheit und der massiven Anstrengung sowie der Hitze einen enorm erhöhten Flüssigkeitsbedarf haben. Zudem hatten wir gelesen, dass es unterwegs Quellen geben soll, an denen man seine Flaschen auffüllen kann, doch davon fehlt leider jede Spur.
Die fehlende Wasseraufnahme äußert sich leider schnell. Die Hals- und Kopfschmerzen werden immer stärker und sich zu konzentrieren fast unmöglich. Ein weiteres Problem: wir finden unsere Stöcke nicht wieder. Beziehungsweise: Cäci findet sie nicht wieder, denn während sie sucht, sitze ich einfach nur geschwächt in einer kleinen Ecke Schatten rum und vegetiere vor mich hin. Nach fast einer halben Stunde suchen geben wir auf. Vielleicht hat die Stöcke auch einfach jemand anders mitgenommen, vielleicht stehen sie jetzt für immer im Berg. Wir werden es nie erfahren. Zum Glück waren die Stöcke nicht die hochwertigsten und einer auch schon leicht gebogen, weshalb der Verlust nicht so sehr schmerzt wie unsere Kehlen.
Irgendwann treffen wir jemanden, der am Wegesrand sitzt und einen recht großen Rucksack dabei hat. Wir schildern ihm unsere missliche Lage und er schenkt uns tatsächlich etwa einen halben Liter Wasser. Außerdem sagt er, könne man ca. 40 Minuten von hier an einer kleinen Hütte Wasser finden. Die Hütte haben wir auf dem Hinweg bereits gesehen. Wir haben selten einen Ort gesehen, der uns verlassener vorkam. Wir schleppen uns weiter voran und nach einigen Pausen kommt die Hütte tatsächlich irgendwann in Sicht. Schon aus der Ferne ist erkennbar, dass sie diesmal nicht mehr so ausgestorben ist, wie noch am Abend. Grund dafür ist folgender: was gestern noch ein Witz war, ist heute Realität. Der Laufteil des Triathlons findet tatsächlich am Berg statt. Zwar nicht bis nach oben, das wäre völlig unmöglich, aber immer bis zu dem Feld mit den Felsen, was wahrlich steil und lang genug ist. Das alles zu joggen zollt uns den höchsten Respekt ab.
Endlich kommen wir also zu Wasser, denn für die Athleten muss es ja welches geben. Doch angekommen an der Hütte werden wir wieder enttäuscht: das Wasser ist ausverkauft. Doch Rettung ist trotzdem in Sicht. Denn der Wirt teilt uns mit, dass sich ein Stück weiter unten eine Quelle befindet. Auch wenn uns der Gedanke daran, wieder zurück zu gehen, vor allem erst bergab und dann wieder -auf nicht besonders gefällt, machen wir uns sofort auf den Weg. Ein Stück den steilen Abhang hinab sehen wir bereits andere Wanderer, die ebenfalls Wasser suchen. Wie sich leider heraus stellt, ist die „Quelle“ mehr ein Tümpel. Wir haben leider in unserem Zustand nicht daran gedacht Fotos zu machen, aber es war wirklich mehr ein Tümpel als eine Quelle. Völlig klar ist das Wasser auch nicht, davon abgesehen, dass es seit unbekannter Zeit steht. Normalerweise ein absolutes No-Go. Niemals würden wir hieraus trinken. Bis auf heute. Der Durst ist so groß, dass wir bereit sind, den eventuellen Durchfall in Kauf zu nehmen. Einer der Wanderer sagt, er habe am Morgen bereits daraus getrunken und ihm ginge es bis jetzt gut. Hoffen wir mal, dass es uns auch so ergeht.
Gestärkt durch die Flüssigkeit geht es wieder etwas besser voran, auch wenn wir nach wie vor jeden Meter zählen. Irgendwann wird der Weg leichter und es geht über den weichen Waldboden und über den ein oder anderen Baumstamm den Umständen entsprechend gut voran. Mittlerweile fragen wir uns nicht mehr ob, sondern nur wie lange wir nach diesem Tag krank im Bett liegen. In weiser Voraussicht haben wir am Morgen beschlossen, die kommende Nacht nicht im Zelt zu verbringen und stattdessen auf eine Unterkunft in der Stadt auszuweichen. Als wir nach endlos langer Zeit am Camp ankommen, schmeißen wir schnell Sack und Pack zusammen und marschieren weiter Richtung Dorf. Glücklicherweise erwischen wir sogar ein Taxi, dass uns die restlichen 2 Kilometer mitnimmt. Angekommen in der Unterkunft, die zwar etwas nach Rauch riecht (so wie gefühlt alles in Montenegro), aber ansonsten für 25€ wirklich top ist (wir haben das Gefühl, einen kleinen Bobotov-Bonus bei der Vergabe der Appartements bekommen zu haben), fallen wir einfach nur noch erschöpft ins Bett.
Und auch wenn wir durchaus etwas gelitten haben und ein Stück mit unserer Gesundheit bezahlt haben, war die Erfahrung auf den Bobotov Kuk zu steigen all das definitiv wert und wir würden es sofort wieder tun. Ein Erlebnis, das uns für immer in Erinnerung bleiben wird.
Am nächsten Morgen soll es für uns direkt weiter gehen. Mit dem Bus wollen wir über die Hauptstadt Podgorica bis nach Shkodra in Albanien weiter reisen. Ob und wie uns das gelingt, lest ihr dann beim nächsten Mal.
Bis Bald.
CäcLaw & FriPi
Daß ihr das geschaffthabt ist schon toll!